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Tag 14 – Friendly Manitoba

Mit dem Grenzübertritt nach Manitoba ändert sich die Umgebung beinahe schlagartig. Das Land wird flach wie ein neu-französischer Teiglappen aus der Hölle; die endlos scheinenden Wälder weichen endlos scheinenden Agrar-Flächen; auch die letzten Kurven verschwinden vom Trans-Canadian-Highway (der ab jetzt HWY 1 heißt) und die Höchstgeschwindigkeit klettert auf angenehme 110 km/h (was einem auf diesen Straßen, die einfach geradewegs bis zum Horizont zu führen scheinen, immer noch das Gefühl von Klebstoff an den Reifen vermittelt). Die erneute Zeitumstellung (Central Standard Time) ist bereits kurz nach Thunder Bay (ON) vonstatten gegangen und wir befinden uns aktuell bei 7 Stunden Unterschied zu Deutschland. 

Nach Motel, Truck Stop und Walmart ist es Zeit für eine Versorgungspause und die Wahl fällt auf den Spruce Woods Provincial Park, der von allen möglichen Parks in der Region um Winnipeg (MB) den kürzesten Umweg erfordert. Schattenplätze, Natur und eine gewisse Distanz zum Brausen des Highways geben den Ausschlag. Allerdings sind für die Strecke von etwa 550 Kilometern drei Fahrteinheiten und zwei Pausen notwendig und wir hoffen inständig, dass Baby ToJo damit ausnahmsweise zurecht kommt. 

Nach der ersten Pause auf einer simplen Raststätte steuern wir gegen Nachmittag einen Ort mit dem klangvollen Namen Portage La Prairie an – auf dessen Ankündigungs-Schild unter anderem das Piktogramm einer Bademöglichkeit prangt – und eine nasse Abkühlung steht angesichts der sengenden Temperaturen hoch im Kurs. (Man hat nämlich das Gefühl, dass sich neben der Landschaft auch das Wetter streng an die Grenzen der einzelnen Provinzen hält – war es in den borealen Waldregionen von Ontario noch sommerlich warm, so gewinnt man in Manitoba bereits eine Ahnung davon, was „Prärie“ klimatisch so alles bedeuten kann.)

Und wirklich: Nach kurzem Gekurve durch die auch ansonsten recht heimelig daherkommende Kleinstadt erhebt er sich majestätisch vor uns – der Splash Island Waterpark! Hinter seinem spielerisch einladend gestalteten Eingangsbereich locken spritzig tanzende Wasserfontänen, ein hoher Turm verspricht den Fez einer schnellen und kurvenreichen Wasserrutsche, das ausgelassene Jubeln von Kindern bezeugt, dass der Park auch wirklich geöffnet hat – wir packen in kaum messbarer Vorfreude unser Badezeug zusammen. Im Eingangsbereich ist kein Kassenhäuschen zu erkennen – sollte diese himmlische Chlor-Oase tatsächlich auch noch kostenfrei sein? Da – im Wasser sind tobende Kinder, die offensichtlich den Spaß ihres Lebens haben! Eine junge Schwimmmeisterin mit fester Zahnspange lässt kurz ihr Smartphone sinken und kommt auf uns zu …

 

Was haben die hier zu bieten – King Kong?

 

Do you belong to the party?

Err … no. We’re just travelers stopping by …

Sorry, there’s no public swimming today. The Waterpark is rented for a private party. So sorry.

Schockstarre. Jo stehen Tränen in den Augen. Das Baby schaut hoch und macht leise „Ga?“. Ich möchte dieser fidelen Feuchtgebieterin das iPhone aus der Hand reißen und es ihr unter wiederholtem „So sorry!“ so lange über ihre Brackets bürsten, bis sie denkt, das Christkind ist ein Raubvogel.

Als wir mit hängenden Handtüchern aus dem Wasser-Park schlurfen und uns auf einer Wiese im angrenzenden Baum-Park niederlassen, gluckst Baby ToJo und wedelt freudig mit den Armen. Glücklicherweise ist sie noch zu jung, um die soeben erlebte Enttäuschung zu begreifen – sie freut sich über jede Art von Bewegung und Spiel – ob nass oder trocken. Drei Jahre später und wir hätten vermutlich ein Drama biblischen Ausmaßes erlebt. Zumindest hätte ich dann zu Brace-Face am Eingang sagen können: „Look what you’ve done! I hope you’re proud of yourself!“ *

 

On the road again.

 

Die Pause ist dann doch sehr erholsam und es geht an die letzte Etappe für diesen Tag. Grundsätzlich scheint das Baby eher nicht einverstanden mit dieser zusätzlichen Fahrteinheit und Jo bietet all ihre unterhaltungstechnischen Kräfte auf. Doch auf den letzten 50 Kilometern, die abseits des HWY 1 über einen grotesk Stoßdämpfer-feindlichen Neben-Highway führen, reißt verständlicherweise der gerade mal 9 Monate alte Geduldsfaden. Dummerweise führen die wirklich allerletzten Meter dann noch durch den riesigen Campground des Spruce Woods Provincial Parks, in welchem man sich mit nur 20 km/h fortbewegen darf, der aber zum Laufen nach einem ziemlich anstrengenden Tag auch viel zu weitläufig ist. Trotzdem sind wir natürlich keine Eltern, die ihr Kind für diese finale Strecke einfach aus dem Sitz heben und im fahrenden Auto auf dem Boden spielen lassen würden, damit es aufhört zu schreien. Würden wir niemals tun. Gott bewahre. Wie abwegig. Ts ts.

 

Spruce Woods Provincial Park

 

Jedenfalls schaffen wir auch diese Tour und bald steht JoMo auf einem schönen Stellplatz in Sichtweite des Kiche Manitou Lake. Während Jo sich eine verdiente Dusche für zwei Loonies gönnt (die kanadischen 1-Dollar-Münzen zieren sowohl ein Seetaucher [Loon] als auch der Kopf der Queen – was von beiden jetzt namengebend ist, darf jede*r selbst entscheiden), erkunden Tim und Baby ToJo noch Teile des Campgrounds bevor es ans Schlafen geht. Ausnahmsweise ist es nicht das Sausen des Highways oder das Schnaufen und Piepen von an- und abfahrenden Trucks, das uns in den Abend begleitet, sondern ein veritables Froschkonzert.

 

il tramonto

 

* Der Autor entschuldigt sich an dieser Stelle aufrichtig für die Gewaltphantasien bezüglich der Waterpark-Mitarbeiterin, die selbstverständlich rein gar nichts dafür kann, dass der Park an diesem Tag vermietet ist. Tatsächlich Schuld hat hingegen das verwöhnte Drecks-Gör, das für seinen Geburtstag ein ganzes Schwimmbad allein für sich und seine oberflächlichen Kack-Freund*innen bekommt und anschließend auch noch ausgerechnet in der Picknick-Area direkt neben uns unter lautestem Krakeelen Hot Dogs, Chips und Cola fressen darf. 

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